Sexuelle Orientierung und sexuelle Vielfalt
Manche Menschen fühlen sich zu anderen Geschlechtern hingezogen, manche zum Eigenen, für manche sind gleich mehrere Geschlechter attraktiv und für manche gar keins. Das war immer schon so – zu allen Zeiten und in allen Kulturen. Und auch heute ist das nicht anders: Sexualität ist vielfältig und gerade wenn es um das eigene Liebesleben geht, zählen deine ganz individuellen Empfindungen und Wünsche – ganz gleich, welche sexuelle Orientierung du hast, also ob du zum Beispiel lesbisch oder schwul, asexuell, bi- oder pansexuell oder heterosexuell bist
Worum geht es bei der sexuellen Orientierung?
In Sachen Sex tickt jeder Mensch anders. Und dabei geht es nicht nur darum, was du gerne magst, sondern auch darum, wen du magst. Oft – aber nicht immer – spielt das Geschlecht des Gegenübers dabei eine besondere Rolle. Und genau diese Rolle wird mit dem Begriff der sexuellen Orientierung erfasst – die sexuelle Orientierung beschreibt, auf welches Geschlecht oder auf welche Geschlechter man steht, ob man sich zum Beispiel zu Frauen, zu Männern, zu mehreren, zu allen oder auch zu keinem Geschlecht hingezogen fühlt
Für die meisten Menschen stellt die sexuelle Orientierung einen zentralen Aspekt ihrer Persönlichkeit, ihrer sexuellen Identität, dar. Sie beschreibt nämlich nicht nur, zu wem man sich hingezogen fühlt – sie umfasst auch das eigene Erleben, individuelle Erfahrungen und persönliche Empfindungen. Außerdem hat die sexuelle Orientierung auch für außenstehende Menschen eine Bedeutung: Mit ihr kommen Annahmen und Hoffnungen, Wertvorstellungen und unter Umständen sogar Vorurteile auf. Deshalb besitzt die sexuelle Orientierung immer auch eine zwischenmenschliche, gesellschaftliche Seite – selbst wenn sie eigentlich nur auf dem persönlichen Empfinden beruht
Sexuelle Vielfalt – was heißt das?
Schwul, lesbisch, bi, hetero, queer, pan, poly, asexuell... In Sachen sexueller Orientierung gibt es eine Vielzahl an Begriffen, die ganz unterschiedliche sexuelle Orientierungen beschreiben. Und das hat einen guten Grund, denn die Vielfalt sexueller Empfindungen und Wünsche lässt sich nur schwer in Worte fassen. Und auch wenn man typischerweise zwischen Heterosexualität, Homosexualität und Bisexualität unterscheidet, gibt es unzählige Varianten: Einige Menschen bezeichnen sich etwa als nicht ausschließlich hetero- oder homosexuell und zeigen damit, dass es für sie auch bei der sexuellen Orientierung viele Möglichkeiten gibt. Andere bezeichnen sich beispielsweise als pansexuell und drücken damit aus, dass sie sich in Menschen und nicht in ein bestimmtes Geschlecht verlieben. Und wieder andere entscheiden sich sogar gänzlich gegen die Zuschreibung einer sexuellen Orientierung und möchten sich in keinerlei Kategorie einordnen lassen.
Übrigens: Manchmal wird der Begriff »Sexuelle Vielfalt« auch so verwendet, dass er nicht nur sexuelle Orientierungen meint, sondern auch andere Vorlieben in Sachen Sexualität, etwa die Vielfalt unterschiedlicher Sexualpraktiken. Und es gibt auch Menschen, die zwischen der sexuellen und romantischen Orientierung unterscheiden; dann spielen zum Beispiel Begriffe wie aromantisch, also wenn man keine romantische Anziehung zu anderen Personen empfindet, aber vielleicht sexuelle Anziehung schon, oder demiromantisch, also wenn sich romantische Anziehung erst dann entwickelt, wenn man bereits eine vertrauensvolle Beziehung zu einer anderen Person hat, eine Rolle.
Plötzlich anders?
Nicht jeder Mensch, der Erfahrungen mit einem anderen Geschlecht hatte, muss heterosexuell sein. Und auch nicht jeder Mensch, der Erfahrungen mit dem eigenen Geschlecht macht, muss etwa lesbisch oder schwul sein. Denn die sexuelle Orientierung umfasst mehr als nur Sex. Außerdem kann sich im Laufe der Zeit durchaus ändern, wen man attraktiv findet und ob man überhaupt auf ein bestimmtes Geschlecht steht.
Wenn du dir über deine sexuelle Orientierung unsicher bist oder vielleicht auch einfach nur neugierig, ist das kein Grund, dich zu schämen oder dir Vorwürfe zu machen. Menschen haben eben verschiedene Wünsche und Bedürfnisse, die sich mit der Zeit auch ändern können. Nur von außen lässt sich die sexuelle Orientierung nicht beeinflussen - Pseudotherapien, die das versuchen, sogenannte Konversionsbehandlungen, wirken nicht und haben schädliche Effekte
Welche sexuelle Orientierung habe ich »wirklich«?
Gerade Jugendliche fragen sich häufig, ob sie zum Beispiel »wirklich schwul« oder »wirklich asexuell« sind. Dahinter steckt oft der Gedanke, dass man mit einem klaren »Label« weiß, wer man ist und was daraus folgt. Mitunter kommt diese Frage aber auch dadurch auf, dass die sexuelle Orientierung von anderen angezweifelt wird.
Doch so oder so – diese Frage nach dem richtigen Begriff ist gar nicht das Wichtigste. Denn viel wichtiger ist es, sich so anzunehmen, wie man ist – ob mit einem klaren Begriff oder nicht. Außerdem lässt sich die Frage, ob man zum Beispiel »wirklich schwul« oder »wirklich asexuell« ist, gar nicht eindeutig beantworten – es gibt keine Checkliste, die dir sagt, wer du bist. Denn es geht erstmal nur um dich und um deine eigenen Bedürfnisse, um das, was sich für dich richtig und gut anfühlt.
Wie kann ich sicher Sex haben?
Bei der sexuellen Orientierung geht es nicht nur darum, mit wem du schläfst. Dennoch hat auch Sex eine wichtige Bedeutung, denn er gehört für viele Menschen zu den schönen und aufregenden Dingen im Leben. Und ganz gleich, zwischen welchen Geschlechtern er stattfindet – Sex kann leidenschaftlich oder romantisch, wild oder zärtlich, gefühlvoll oder abenteuerlich sein. Hier kommt es ganz auf deine eigenen Wünsche an.
Ganz egal, zu welchem Geschlecht oder zu welchen Geschlechtern du dich hingezogen fühlst – das Thema Safer Sex geht alle an. Und auch, wenn einige sexuell übertragbare Infektionen (STI) bei bestimmten Gruppen häufiger vorkommen, liegt es in deiner eigenen Verantwortung, dich zu schützen. Deshalb solltest du selbstbewusst mit deiner Sexualität umgehen und dich auch für deine eigenen Wünsche in Sachen Schutz stark machen.
Sexuelle Orientierung und Geschlecht – Was ist der Unterschied?
Geschlecht ist vielfältig. Und die sexuelle Orientierung ist es auch. Trotzdem handelt es sich dabei um unterschiedliche Dinge: Während sich die sexuelle Orientierung auf das Geschlecht der Personen bezieht, zu denen sich ein Mensch hingezogen fühlt, so geht es bei der Geschlechtsidentität um die Frage, ob sich ein Mensch selbst mit dem ihm zugewiesenen Geschlecht identifiziert, ob es ihn passend und ausreichend beschreibt. Nicht-binäre*, trans* und inter* Menschen können deshalb genauso homo-, bi-, pan-, a- oder heterosexuell sein, wie cis* Menschen. Die Geschlechtsidentität sagt nichts über die sexuelle Orientierung aus